Inspiration

für Raum und Leben


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Suche Raum für Rückzug – Hochsensible in turbulenten Zeiten

„ … dann mach ich mir die Welt, wie sie mir gefällt …“, klingt verlockend und ist dennoch nicht ganz so einfach zu realisieren – vor allem, wenn unterschiedliche Bedürfnisse die Gestaltung beeinflussen, eine Mehrheit sich wirksam durchsetzt und Minderheiten mit den Entscheidungen leben müssen.

Sind Rehe hochsensibel? Ich würde sagen: Ja. Danke © Melissa Chabot

Sind Rehe hochsensibel? Ich meine Ja. Danke © Melissa Chabot für den Blick auf das Sanfte

Vor allem hochsensible Menschen kennen andere Strophen des Liedes von der Reizüberflutung, denn während unsere Sinne mit Eindrücken regelrecht überflutet werden, haben Zartbesaitete es nicht leicht.* Hier geht mein Dank an die Wissenschaft, denn wo es früher schnell hieß „du hast ja eine Macke“ oder „stell dich nicht so an“, wissen wir heute, dass bei einigen Menschen die Sensoren tatsächlich feiner eingestellt sind. Die Grenzen ihrer Behaglichkeitszone sind weit enger gesteckt als bei der Mehrheit, die bislang noch definiert, was „normal“ sei.

Wer mit der Beschreibung Hochsensibel nichts anzufangen weiß, stelle es sich so vor: Wir Menschen brauchen ein gewisses Maß an Stimulation, um uns lebendig zu fühlen. Durch zuwenig fühlt sich unsere Spezies unterfordert, dann wird es erst langweilig und schließlich fühlt man sich unbehaglich. Zuviel Anregung führt dagegen zu Erregung und schließlich ebenso zu Unbehagen. Nun gibt es nachgewiesenermaßen Menschen und Tiere, die viel feiner getunt und empfänglicher sind als der Durchschnitt, denn sie nehmen viele Reize zeitgleich und intensiver wahr. Das kann das System überfordern und darum fühlen sie sich viel schneller unbehaglich als andere. Diese Menschen gelten als hochempfindlich oder hochsensibel.

Sie reagieren auf Reizüberflutung mit dem Bedürfnis nach Rückzug, werden aggressiv, beginnen zu schwitzen, zu zittern oder Verwirrung zu zeigen. Weil Überstimulation den Organismus überlastet sinken bei solcherart „Gestrickten“ die Leistungen, einige benehmen sich in überfordernden Situationen tollpatschig, unlogisch, werden emotional oder reagieren, wenn der Zustand zum Beispiel im Schul- oder Arbeitsalltag länger anhält mit Krankheit, Depression oder Neurosen.

Soweit die Einleitung.

Doch was kann man tun, wenn die Außenwelt von Hektik regiert wird, wenn Multitasking zum Credo erhoben und Mensch von permanenten Geräuschkulissen, Gestank und Dauerbeleuchtung belästigt wird? Es gibt aus Feng Shui Sicht räumliche Empfehlungen speziell für hochsensible Menschen und ihre Familien. Doch heute will ich von hilfreichen Strategien berichten, die aus der Erfahrung geboren wurden und sozusagen eine „Notapotheke“ sein können, egal wo man gerade ist. Es empfiehlt sich, nicht alle gleichzeitig anzuwenden, denn das würde das System erneut überfordern.

Raum für Rückzug – Stille

Nach hektischem Erleben ist Stille das Pflaster, um innere Turbulenzen zu beruhigen.

Finden Sie einen Ort, an dem natürliche Geräusche dominieren – lauschen Sie Ihrem Atem, dem Wind, dem Plätschern des Wassers. Draußen ist (für mich) immer schön, wo könnte Ihr Ort sein? Ob auf dem Balkon, im Garten, im nahen Park, gönnen Sie sich ein paar Minuten Zwischenraum und nehmen sich die Zeit, bewußt von einer Situation in die andere zu wechseln.

Selbst im Büroalltag oder auf der Autobahn ist das möglich: Klinken Sie sich aus – und seien es nur Momente – schalten Sie bewusst alle Sinne auf hören : ihre Schritte auf dem Boden, das Surren der Kaffeemaschine, das Motorengeräusch, der vorbeirauschende Wind … Ziehen Sie alle Sinne nach innen und erlauben nur Ihren Ohren Kontakt aufzunehmen. Fortgeschrittenen wird es mit einiger Übung gelingen, die Stille hinter dem Geräusch zu erlauschen.

Raum für Rückzug – Augenweide

Augen sind das Fenster zur Seele, darum tut es insgesamt wohl, Schönes zu betrachten.

Gönnen Sie Ihren Augen eine Augenpause, schauen Sie ins Grüne oder auf ein Foto, das ihre lebendigsten, wohligsten, erfreulichsten, lachendsten Momente bereit hält. Während Sie schauen, spüren Sie. Ihren Körper, Ihren Atem, die Freude der Erinnerung.

Sie können auch einen Körperanker zur Hilfe nehmen. Beispielsweise indem Sie mit einer Hand den Zeigefinger der anderen Hand halten und währenddessen die Augenweide und das dazu gehörende Gefühl bewusst in sich aufnehmen. Wenn Sie das nächste Mal eine Aufladung benötigen (zum Beispiel in der U-Bahn, wo’s kein Grün gibt, oder im Sitzungssaal ohne Fenster) umgreifen Sie erneut den Zeigefinger und spüren, wie das belebende Empfinden Sie durchströmt und beruhigt.

Raum für Rückzug – Duft

Nirgendwo geht’s schneller, intensiver und barrierloser hinein als durch die Nase.

In Millisekunden kann ein Duft an längst vergessene Tage und Orte entführen, kann traurig oder froh machen, Ekel oder Liebe wachrufen. Haben Sie einen Lieblingsduft? Ich habe mir für traurig-kalte Wintertage den Duft des Sommers in ein Leinensäckchen genäht – das gemähte Gras aus meinem Garten. Wann immer es beliebt hole ich mir damit die Verheißung und eine Kombination von blau (Himmel), gelb (Sonne) und grün (Gras) ins Gemüt. So entsteht durch den Duft ein sinnliches Farbspiel in dem ich schwimmen und mich erfrischen kann. Welcher Duft belebt Ihre angenehmsten Erinnerungen?

Oder lieber duftlos? Vielleicht braucht Ihre Nase eine Pause, dann gönnen Sie sie ihr und wechseln das Terrain.

Raum für Rückzug – Haptik

Haut, Fingerspitzen, Füßen schmeicheln.

Vielleicht mit geschlossenen Augen Stoffe und Texturen fühlen, Seidenpapier, Tannenzapfen, Blütenblätter oder ein Stück Samt sanft berühren. Solche „Talismänner“ passen selbst in kleine Jackentaschen.

Wenn möglich hüllen Sie sich in einen feinen Stoff, schmiegen sich kurz ins Gras, durchschreiten ein Blätterdach, gehen barfuß durch eine Pfütze. Wie kalt ist Regen an den Füßen?  Egal ob draußen oder drinnen, immer mal die Augen in die Fußsohle wandern lassen. Sich ganz und gar der Berührung hingeben, anschmiegsam sein und im Moment reinen Spürens aufgehen.

Raum für Rückzug – kost-bar

Hmmm, auch Mund und Zunge dürfen genießen.

Doch langsam, ganz langsam – vielleicht mit geschlossenen Augen zuerst riechen, dann anschauen und die Vorfreude spüren, es gleich zu kosten. Wer erinnert sich an Kim Basinger in 9 1/2 Wochen? Statt funktionieren („der Körper braucht Essen“) sich nähren lassen vom Genuss: schmecken, kauen, lutschen, schlürfen, schmatzen, nachschmecken, schlucken – noch einen Bissen, einen Schluck auf der Zunge zergehen lassen. Nur das …

In hektischen oder angespannten Situationen mögen die meisten hochsensiblen Körper jedoch keine Nahrung. Dann ist trinken angeraten, am besten Wasser, um den inneren Fluß in Bewegung zu halten und Belastendes schneller auszuschwemmen.

Raum für Rückzug – Wunder geschehen lassen

Das, was wir suchen, sucht auch nach uns.

„Hochempfindlichkeit ist ein Geschenk, für mich selbst und für alle, die ich berühre.“ Georg Parlow.
Auch wenn die Geschwindigkeit der äußeren Welt vermutlich weiter zulegt und Multitasking noch immer als Machbar und Erstrebenswert gilt – Hochsensibilität ist ein Geschenk der Natur an uns alle. Denn wer schneller spürt, kann andere aufmerksam machen, vor schädlichen Entwicklungen warnen und unserer Gesellschaft helfen mehr zu fühlen und weniger zu denken.

Manchmal braucht „etwas“ nur einen Namen, um dazuzugehören. Wird aus dem herablassenden „du bist immer so empfindlich“ ein anerkennendes „dein Gespür ist so fein – von dir möchte ich lernen, die Flöhe husten zu hören“, macht es das Zusammenleben für alle angenehmer. Wir erfahren uns durch andere und jede Persönlichkeit hat die Chance, von Umgang und Umfeld zu profitieren und neue Facetten in das eigene Weltbild zu bauen. Nicht im Sinne von „benutzen“ sondern als „in-Beziehung-sein“, ein Teil von … zu sein.

Ich bin überzeugt, im Miteinander – Füreinander liegt der Weg zu mehr Respekt, mehr Selbstverständnis und Selbstachtung – egal, ob hoch-sensibel oder weniger.

… auch Elefanten gelten als äußerst sensibel. Dank an © Ray Rui für dieses Familienfoto!

* Empfehlenswerte Lektüre zum Thema: zartBesaitet von Georg Parlow.


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Raum der Stille

Advent, Advent. Statt noch xx Mal schlafen bis zum: „… aber wir wollten uns doch nichts schenken!“, hier ein ausgefallener Weihnachtswunsch, den eine fünfköpfige Familie sich erfüllt hat. Letzte Woche war ich bei Ihnen, um den fertig eingerichteten RAUM DER STILLE, den ich für ihr Wohnhaus konzipiert hatte, zu begutachten.

Es war ein Familienprojekt, initiiert von den beiden heranwachsenden Söhnen. Die hatten sich zu Weihnachten gewünscht, dass mehr Ruhe in die Familie kommt. Denn der Eine macht nächstes Jahr Abitur, der Andere beginnt eine Lehre und das Nesthäkchen hat gerade aufs Gymnasium gewechselt. Die beiden Großen wollen noch eine Weile mit den Eltern leben und dort etwas haben, was sie sich absehbar (beim Auszug in WG oder mit Freundin) nicht würden leisten können – einen Raum der Stille.

Gemeinsam hatten alle entschieden, trotz nicht gerade üppiger Platzverhältnisse, ein Zimmer dafür herzugeben. Der Wunsch an mich lautete, dass dieser Raum kaum möbliert werden und dennoch warm wirken soll und dass ein farblicher Akzent die Aufmerksamkeit immer wieder zurück holt, wenn sich die Gedanken verlieren. Denn auf ein gemeinsames Bild, das wußten alle sofort, würde man sich nie einigen. Außerdem sollte ich es hinkriegen, dass auch mal alle Fünfe im Raum sein können, ohne sich zu stören oder Platzangst zu kriegen.

Als ich vor einigen Wochen mein Konzept vorstellte, waren alle gleich begeistert. Ich hatte die Idee des Jüngsten aufgegriffen, zusätzlich zu einem Sitzkissen, für jeden ein passendes Schaffell zu besorgen. Laut Fliegender Sterne des Feng Shui begünstigt ein einheitlicher Wandton in Japanweiß das Raumklima, zusätzlich sollten drei Wände je ein abstraktes Motiv (Quadrat, Kreis, Dreieck) bekommen, das in einer anderen Farbe aufgetragen wird. Der fast quadratische Raum erlaubt, dass sich sowohl alle gemeinsam um eine Mitte versammeln können, als auch – selbst wenn alle anwesend sind – sich mit Blick auf eines der Wandmotive zu setzen.

Bei den Wandmotiven steht das Quadrat für die Erdung, der Kreis für die Zentrierung und das Dreieck für geistige Inspiration. Der installierte Mittelpunkt, ausgelegt mit Bergkristall und Rosenquarz, verleiht dem Raum eine angenehme Schwingungsfrequenz. Zusätzlich werden auch in den vier Ecken entsprechend große Kristalle dafür sorgen, dass die Energie im Raum pulsiert und klar bleibt. Für jedes Familienmitglied habe ich zusätzlich ein Hexagramm gefunden, dass ausgleichend auf das jeweilige Temperament wirkt.

Als ich mich gestern verabschiedete haben mich alle fröhlich-freundlich umarmt und der Jüngste gab mir einen dicken Schmatzer auf die Wange. Er war einfach glücklich, dass ich seinen Wunsch, das Schaffell „irgendwie unterzubringen“ tatsächlich aufgegriffen hatte 😉 Und ich bin noch immer ganz gerührt und sage noch einmal Danke für das in mich gesetzte Vertrauen!