Inspiration

für Raum und Leben

Herzens-Angelegenheiten

14 Kommentare

Mit Blick für die Details eines guten Lebens © Andrea Davis

„Willst du links etwas verändern, beginne rechts“, rieten die Weisen aus China.

Je öfter ich diese Worte in mir bewege, desto tiefgründiger beginnen sie zu klingen. Mittlerweile weiß ich, dass es hierbei nicht nur um den Raum geht, sondern um alles, was getan werden muss.

Im Raum habe ich diese Art zu handeln schon oft beherzigt. Zuerst in meinem Zuhause, dann in meinen Beratungen und schließlich ist es mir in Fleisch und Blut übergegangen. Zum Beispiel hat sich durch das Roden des Bambusfeldes auf meiner „Tigerseite“ im Garten auch die „Drachenseite“ verändert und vieles, was damit in Resonanz steht. Zum einen haben die „Yang-Aktivitäten“ – also alles, was getan werden muss um das Leben konstruktiv, effektiv und handlungsorientiert zu leben – einen echten Schub bekommen.

Selbstredend haben sich ebenfalls die „weiblichen Qualitäten“ meines Er-Lebens intensiviert. Denn wie schon ausgeführt hatte der Bambus sich oberirdisch von seiner aufrechten, straighten Seite gezeigt und dabei unterirdisch ein ganz und gar geheimnisvolles, undurchdringliches kreuz-und-quer verlaufendes Eigenleben geführt. Seit letzten Sommer wird mir vieles bewusst, was vorher mit Klauen und Zähnen von harten Rhizomen bewacht, im unbewussten Untergrund mein waches Dasein lenkte.

Raumgestaltung ist etwas, was das ganze Leben durchdringt. Je länger ich mich damit beschäftige, umso aufregender, interessanter und sinnvoller empfinde ich es. Denn Raum (ob groß oder klein, ob innen oder außen) kann als Spiegel des Selbst zur Erkenntnis beitragen. Durch stetiges Verändern im Raum wurde zum Beispiel mein Streben nach „reinem Wissen“ unterwegs zurecht geschliffen. Der „Wissenschafts-Sprech“* hat, wie ich feststellte, nämlich ein wesentliches Manko: Er erreicht weder das Herz noch die Quelle der Lebenskraft, das Hara.

Nach einem Jahr eingesperrt sein, dazu auf Wunsch Einzelner isoliert und in Panik versetzt, wurde mir klar, was nun – links oder rechts – getan werden muss:

Wir brauchen endlich den Herz-Sprech*.

Nicht länger soll die Angst diktieren und die Bilder der Zukunft in düsteren Farben ausmalen. Mögen Anwälte, Virologen, Wissenschaftler bei Tage auf dem Feld, auf dem sie sich auskennen, miteinander ringen und Argumente tauschen, die Kopf und Logik beschäftigen. Doch Zuhause, wenn Ruhe einkehrt und die Zeit kommt, still zu sein, braucht es den Wechsel der Ebenen. Vom Kopf zum Herzen und noch etwas tiefer, zum Nabel – zur Quelle der Lebenskraft. Zum Ursprung.

Natürlich kann die Atmosphäre im Raum den Weg ins innerste Innen, ins tiefste Heiligtum, erleichtern. Denn auch das unterscheidet uns von Maschinen: Sie können in gefliesten Räumen und bei Neonlicht unbeeinträchtigt von Wetter oder Gemütslage ihren Aufgaben nachgehen. Das Wesen der Maschine ist gefühllos, atemlos, immer kalt und nüchtern. Eben ohne Herz.

Doch wir sind Menschen. Wir sind ganz und gar lebendig, warm, weich, anschmiegsam, empfänglich für Farben, Düfte, sinnliche Reize, Klänge. Und wir haben einen Nabel. Das Zeichen, das uns an den ersten Raum erinnert, den wir kennenlernten: Die Gebärmutter im Leib der Mutter. Manche sagen, der Mensch sucht sein Leben lang, um diesen Raum wiederzufinden. Das Nest, in dem wir wurden.

Ein atmosphärisch belebter Raum kann viel: kann streicheln, kann wecken, kann ermutigen, kann auffangen, kann nähren. Kann Nest sein und Brutstätte für Lachen, Miteinander und ein starkes: Trotzdem. Wir sind Menschen. Wir haben Bewusstsein, können erkennen, durchdringen UND fühlen. Können gestalten. „Solange es Menschen gibt, gibt es Metaphysik“, sagte Heidegger. Nutzen wir sie – für ein lebendiges, gestaltetes Leben.

Heutiger Neumond verspricht gute Gelegenheit, eine Absicht zu pflanzen. Sie könnte lauten: „Ab jetzt ist Leben für mich eine Herzensangelegenheit. Ich tue alles, um es mir und anderen schön zu machen. Wenn mich eine Angst anfällt, dann atme ich dreimal tief und bedanke mich bei ihr. Dann stelle ich mir vor, wie ich sein will und gehe weiter.“

Wir sind Menschen, wir können lieben. Beobachtet von © Annie Spratt

*Danke an Marie, die noch einmal den Film ‚Cloud Atlas‘ mit mir geschaut hat

14 Kommentare zu “Herzens-Angelegenheiten

  1. „Wenn mich eine Angst anfällt, dann atme ich dreimal tief und bedanke mich bei ihr. Dann stelle ich mir vor, wie ich sein will und gehe weiter.“
    Das gefällt mir! Und es stimmt. Und dann, wenn ich durchgeatmet habe, mir vorgestellt habe wie oder wer ich sein möchte, die Angst damit überwinde, es getan habe, dann, ja dann fühlt es sich wahrlich königlich an.
    Und auf alle Fälle so viel besser, als die andere Variante: Es nicht getan zu haben und sich zu ärgern, dass es nicht gesagt wurde.
    Danke, liebe Susanne, für deine schönen Texte. Ich lese sie immer sehr gerne.

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    • Danke liebe Thekla, das freut mich sehr.
      Ich folge jetzt noch mehr meinem Gefühl und schreibe nur noch, wenn die Worte aus mir rausdrängen. „sagen, was gesagt werden will oder gesagt werden muss.“ Daneben viel schweigen, damit die Samen Früchte tragen.
      von Herzen alles Liebe und Gute für Dich!
      Susanne

      Gefällt 2 Personen

  2. Danke, Susanne, für diesen sehr schönen Einstieg in den Tag. Der Eingangssatz „„Willst du links etwas verändern, beginne rechts“, ist sehr dynamisch und kann viele Gedanken und hoffentlich auch Handlungen in Gang setzen. Ich beziehe ihn jetzt mal auf jede Art von festgefahrenen Situationen. Es hat manchmal gar keinen Sinn, an der Verbesserung der Situation direkt zu arbeiten, aber es kann helfen, sich einer ganz anderen Situation zuzuwenden, dort Raum zu schaffen, und schon fließt die Energie aus dem verstopften Bereich ins nun frei Gewordene hinüber. Der Kreislauf belebt sich, etwas gerät in Bewegung, alles belebt sich und wird freudiger.
    Ich wollte, viele von uns, aber auch Politik und Medien würden sich drauf besinnen. Anstatt wie die Maus auf die Schlange auf ein Virus zu starren, sollten wir alle uns anderen Bereichen zuwenden, dort aufräumen …. und das Virus verliert an Macht und verschwindet schließlich wohl ganz. ZB könnte unser Umgang mit Tieren solch ein Bereich sein, wo es gilt, gründlich aufzuräumen. ich sah heute beim Aufwachen als Bild vor mir, wie Gänse gewaltsam gestopft werden, um dann aus ihren Lebern die feine Gänseleberpastete zu fertigen. Und mir graute bei dem Gedanken, dass auch ich so etwas esse. Ein anderer Bereich, den gründlich zu betrachten ich mir wünschen würde, wäre der militärische, mit all seinen Perversionen. Wenn wir dort aus unserem Herzen und vielleicht sogar aus unserem Nabel heraus handeln würden: wie viel gesünder wären wir!

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    • Ach Gerda, da stimme ich voll und ganz mit dir überein. Aus derselben Blase, aus der heraus wir das geschaffen haben, können wir nichts ändern. Wie müssen sie platzen lassen … Oder das alles einmal ganz anders betrachten, als gewohnt.
      Gestern fuhr ich auf der Autobahn an drei Tiertransportlastern vorbei. Wollige Gesichtchen schauten zu mir heraus und ich begann zu weinen.
      Die Momente in denen mir klar wird, was alles im Argen liegt in der Gesellschaft in der ich lebe, wie inkonsequent ich oft handel‘ (wissen und tun) und wie hoch unser Tellerrand geworden ist – das sind Momente in denen ich jetzt manchmal aufgeben möchte.
      Doch dann erinnere ich mich an das Heilige Leben in mir, das gelebt werden will. An das: Trotzdem. Zu gehen, wohin es mich führt und zu tun, wo ich bin.
      Ich kann entscheiden, wer ich sein will (höre und sehe und lese jetzt wieder öfter Viktor Frankl) und was mir Sinn macht. Ich esse kein Tier und also ist es das, was ich konkret in dem Moment tun kann.
      Die Aufgabe, meine Aufgabe, wird etwas größer sein als ich, so dass ich an ihr wachse. Doch zuviele Aufgaben und Augenmerke aufeinmal machen, dass ich mich verzettel und kraftlos werde. Eins zur Zeit – multitasking ist kapitalistischer Sprech und somit für den Rundordner …
      Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt. Sicher gehören Tiere, Bäume, Landschaften und Naturwesen ebenfalls dazu. Einen Tag nur aus dem Herzen sprechen – einen Versuch ist’s allemal wert

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  3. liebe susanne, schöner text. dein erwähntes einstiegszitat hatte ich bislang noch nie gehört. gerdas gedanken dazu waren schon hilfreich beim aufdröseln. es ist in gänze zu durchdringen versuche ich nun. danke für die vielen gedankenanstöße. eine gute woche für dich, liebe grüße aus berlin.

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    • Dankeschön, das freut mich sehr das ich noch etwas Unbekanntes beisteuern konnte, liebe wolkenbeobachterin. Ja, Gerda hat den Gedanken sehr anschaulich erweitert – eine wahre Freude. Auch dir wünsche ich eine herrlich gute Woche und sende frische Grüe nach Berlin!

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  4. Das gefällt mir gut, dieser Impuls, an einer nicht direkt offensichtlichen Stelle mit einer Veränderung zu beginnen, um an anderer Stelle eine Wirkung zu erzielen.
    Auch Gerdas Bild, erst einmal woanders Platz zu schaffen, damit gestaute Energien an der zu ‚beackernden‘ Stelle abfließen können, passt wunderbar.
    So wird Bewegung möglich, und alles kommt wieder in Fluss.
    Die Dinge, die Natur, die Menschen, das Herz.
    Danke Ihr beiden!

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    • Wunderbar, ich danke dir liebe mo für deine ebenfalls erweiternden Gedanken zum Thema. Leben ist so gar nicht linear und manchmal braucht es das Paradox, um Knoten zu lösen und frische Betrachtungen anstellen zu können. In diesem Sinne und von Herzen!

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  5. Manchmal wünsche ich mir, dass ich die vielen schönen Gedanken, die Sie uns nahebringen, in einem Buch zu lesen… Möchten Sie ein Buch mit all Ihren Erfahrungen schreiben? Ich bestelle es im Voraus… 🙂

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  6. Liebe Susanne, ich gehe jetzt mal ins Atelier und fange rechts an aufzuräumen. Mal sehen, was dann mit links passiert. ❤ Herzensgrüße, Susanne

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  7. Liebe Susanne, wieder ein Mal ein bewundernwerter Beitrag, in so viel Tiefe und Eroeffnungen. Mich spricht das immer wieder an, wie du Gedanken und Gefuehle so wunderbar darstellen kannst, wahrscheinlich auch weil ich in vielem mich selbst wieder finden kann.
    Zudem bist du einfach sehr inspirierend und es macht einfach immer Mut deine Worte zu lesen.

    Auch finde ich auch Gerda’s Beitrag wunderschoen. Danke dir und Euch allen Leserinnen fuer die wunderbaren Worte und Gedanken.

    Na heute ging das doch ganz gut, Deutsch zu schreiben.
    Have a great weekend.
    Cornelia von der anderen Seite des Ozeans

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    • Danke liebe Cornelia. Du findest ebenfalls wundervolle Worte, um deine Gefühle und Eindrücke zu beschreiben! und dein Auge für SChönheit ist voller Liebe! Darum schaue ich deine Fotos so gern, sie zeigen Details, die flüchtig oder intensiv wahrgenommen werden können – doch immer sind sie ein Geschenk an die Freude! Ich bin dankbar, dass uns soviel Wunderbares umgibt und dir gelingt es auf feine Weise, das sichtbar zu machen. 💕

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