
„Willst du links etwas verändern, beginne rechts“, rieten die Weisen aus China.
Je öfter ich diese Worte in mir bewege, desto tiefgründiger beginnen sie zu klingen. Mittlerweile weiß ich, dass es hierbei nicht nur um den Raum geht, sondern um alles, was getan werden muss.
Im Raum habe ich diese Art zu handeln schon oft beherzigt. Zuerst in meinem Zuhause, dann in meinen Beratungen und schließlich ist es mir in Fleisch und Blut übergegangen. Zum Beispiel hat sich durch das Roden des Bambusfeldes auf meiner „Tigerseite“ im Garten auch die „Drachenseite“ verändert und vieles, was damit in Resonanz steht. Zum einen haben die „Yang-Aktivitäten“ – also alles, was getan werden muss um das Leben konstruktiv, effektiv und handlungsorientiert zu leben – einen echten Schub bekommen.
Selbstredend haben sich ebenfalls die „weiblichen Qualitäten“ meines Er-Lebens intensiviert. Denn wie schon ausgeführt hatte der Bambus sich oberirdisch von seiner aufrechten, straighten Seite gezeigt und dabei unterirdisch ein ganz und gar geheimnisvolles, undurchdringliches kreuz-und-quer verlaufendes Eigenleben geführt. Seit letzten Sommer wird mir vieles bewusst, was vorher mit Klauen und Zähnen von harten Rhizomen bewacht, im unbewussten Untergrund mein waches Dasein lenkte.
Raumgestaltung ist etwas, was das ganze Leben durchdringt. Je länger ich mich damit beschäftige, umso aufregender, interessanter und sinnvoller empfinde ich es. Denn Raum (ob groß oder klein, ob innen oder außen) kann als Spiegel des Selbst zur Erkenntnis beitragen. Durch stetiges Verändern im Raum wurde zum Beispiel mein Streben nach „reinem Wissen“ unterwegs zurecht geschliffen. Der „Wissenschafts-Sprech“* hat, wie ich feststellte, nämlich ein wesentliches Manko: Er erreicht weder das Herz noch die Quelle der Lebenskraft, das Hara.
Nach einem Jahr eingesperrt sein, dazu auf Wunsch Einzelner isoliert und in Panik versetzt, wurde mir klar, was nun – links oder rechts – getan werden muss:
Wir brauchen endlich den Herz-Sprech*.
Nicht länger soll die Angst diktieren und die Bilder der Zukunft in düsteren Farben ausmalen. Mögen Anwälte, Virologen, Wissenschaftler bei Tage auf dem Feld, auf dem sie sich auskennen, miteinander ringen und Argumente tauschen, die Kopf und Logik beschäftigen. Doch Zuhause, wenn Ruhe einkehrt und die Zeit kommt, still zu sein, braucht es den Wechsel der Ebenen. Vom Kopf zum Herzen und noch etwas tiefer, zum Nabel – zur Quelle der Lebenskraft. Zum Ursprung.
Natürlich kann die Atmosphäre im Raum den Weg ins innerste Innen, ins tiefste Heiligtum, erleichtern. Denn auch das unterscheidet uns von Maschinen: Sie können in gefliesten Räumen und bei Neonlicht unbeeinträchtigt von Wetter oder Gemütslage ihren Aufgaben nachgehen. Das Wesen der Maschine ist gefühllos, atemlos, immer kalt und nüchtern. Eben ohne Herz.
Doch wir sind Menschen. Wir sind ganz und gar lebendig, warm, weich, anschmiegsam, empfänglich für Farben, Düfte, sinnliche Reize, Klänge. Und wir haben einen Nabel. Das Zeichen, das uns an den ersten Raum erinnert, den wir kennenlernten: Die Gebärmutter im Leib der Mutter. Manche sagen, der Mensch sucht sein Leben lang, um diesen Raum wiederzufinden. Das Nest, in dem wir wurden.
Ein atmosphärisch belebter Raum kann viel: kann streicheln, kann wecken, kann ermutigen, kann auffangen, kann nähren. Kann Nest sein und Brutstätte für Lachen, Miteinander und ein starkes: Trotzdem. Wir sind Menschen. Wir haben Bewusstsein, können erkennen, durchdringen UND fühlen. Können gestalten. „Solange es Menschen gibt, gibt es Metaphysik“, sagte Heidegger. Nutzen wir sie – für ein lebendiges, gestaltetes Leben.
Heutiger Neumond verspricht gute Gelegenheit, eine Absicht zu pflanzen. Sie könnte lauten: „Ab jetzt ist Leben für mich eine Herzensangelegenheit. Ich tue alles, um es mir und anderen schön zu machen. Wenn mich eine Angst anfällt, dann atme ich dreimal tief und bedanke mich bei ihr. Dann stelle ich mir vor, wie ich sein will und gehe weiter.“

*Danke an Marie, die noch einmal den Film ‚Cloud Atlas‘ mit mir geschaut hat