
Da sind wir nun.
Da sind wir nun, zurückgeworfen in unsere Räume. In die Räume, die uns Wohnstatt und – im besten Fall – Heimat sind. Und zugleich in den innersten Innenraum, das persönliche Heiligtum jedes Menschen. In dem forscht die Seele und träumt und erwacht zuweilen in ihr ureigenes So-Sein.
Wundersame Zeiten sind das. Da nur wenig Zerstreuung geblieben ist und der Winter uns mit seinen Gehilfen Frost, Schnee und eisigen Winden zurück in die vier Wände treibt, öffnen sich manchmal ganz unvorhergesehen seltsame Blüten. Manche sind äußerst farbenfroh, sie ähneln der Zuversicht; manche tragen Schwarz zur Schau und scheinen jede Lebensfreude ersticken zu wollen. Wieder andere haben einen Kelch, der aus Fragen gestickt ist. Für diese braucht man Fingerspitzengefühl und manchmal sehr viel Mut, sie genauer anzuschauen.
Was hält, wenn nichts mehr hält?
Wenn Gedankengebäude einstürzen, Zufluchtsorte nicht mehr erreichbar sind, Schlupflöcher immer weiter zugestopft werden und Selbstverständlichkeiten sich als Illusion entpuppen? Braucht es ein Versteck, ein Exil, einen sicheren Hafen?
Vor etwas mehr als einem Jahr schrieb ich schon einmal über Formen und Symbole, und welche in unsicheren Zeiten helfen, sich zu stabilisieren. Damals riet ich dazu, sich in (inneren) Notzeiten ein Quadrat aus Kieseln, Heilsteinen oder Wollresten auszulegen und sich hineinzusetzen. Am wirkungsvollsten draußen, doch drinnen geht auch. Manchmal reichen zehn tiefe Atemzüge darin und die Vorstellung, dass man niemals von der Erde fallen kann – egal was passiert. Die Erde hält. Sie trägt uns alle.
Helfen kann, auch Verbündete einzuladen ins Quadrat. Einen Engel, einen Geistführer, eine Schamanin. Oder die, die besonders gut mit der Erde stehen, wie Wurzelweiblein, Zwerge oder Freunde aus der Baumfamilie. Meine Erfahrung: Ein inniger Ruf bleibt niemals ungehört. Und ein Raum im Raum kann zum Nest werden. Zur Oase. Zum Schutzraum. In diesem Raum kann man eine Auszeit nehmen, wenn das Außen zu drängend, zu fordernd, zu laut wird. Er braucht gar nicht groß sein und findet darum auch in Familienräumen immer einen Platz.
Man kann auch damit spielen: Wer im Quadrat sitzt bekommt Ruhe geschenkt. Rücksicht. „Ich weiß, du bist da, doch ich lasse dich, solang du da sitzt, in Ruhe.“ Wer allein lebt, beginnt im Quadrat sitzend, zu summen, zu flüstern, zu singen. Besingt sich und die guten Geister. BeRUHigt sich, atmend. Nur ich und der Atem. Nur ich und die guten Wünsche. Für mich und für alle, die jetzt in einer ähnlichen Gemütslage sind.
Denn wieder gilt ein Paradox: Selbst in Zeiten der Isolation ist in Wahrheit niemand wirklich allein. Auch wenn’s so ausschaut und sich manchmal so anfühlt. Niemand fällt von der Erde. Alle sind da. Vereint im Menschsein können wir uns genau auf diese Qualität besinnen und auf alles, was vom Herzen her dazu gehört. Das macht den Unterschied. Und solange wir leben haben wir die Chance, den Unterschied zu machen. In jedem Raum, den wir betreten.
Und in jedem Raum, in den wir eingeladen sind, ihn mit unserem Licht zu füllen.
- Der Zwerg meditiert übrigens im Garten von © Dorota Dylka