Inspiration

für Raum und Leben

Von guten Geistern verlassen?

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„Vormals glaubte das Volk, dass die Zimmerleute mit den Erd- und Waldgeistern in Verbindung standen. Die Baumeister waren wie Priester, Hüter eines uralten Mysteriums. Denn die Baukunst ist nicht nur eine exakte Wissenschaft, sondern eine Liebesgeschichte zwischen Menschen und Göttern, und einst wusste es jeder.“ *

Eingebettet … in der Schweiz © Sven Fischer

Baumeister und Zimmerleute in enger Verbindung zu Erd- und Waldgeistern. Wie wunderbar. Doch seit wir der formalen Wissenschaft erlaubten, unser Leben mehr und mehr zu entzaubern, bleibt nicht nur das Herz auf der Strecke. Auch heutigen Bauwerken, die mich – wie kommt es nur –  an das Motto einer bekannten Schokoladensorte erinnern, fehlt es oft an Seele. Eben dem Fünkchen, das ein funktionales Haus in ein Zuhause verwandelt.

Leider klagen, was das rein-funktionale betrifft, dennoch viele Neu-BauherrInnen zunehmend über eklatante Mängel, die nur kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen werden können und doch nicht zu ertragen sind : Eindringen von Feuchtigkeit, Schimmelbildung, unsachgemäße Verlegung von Fußböden, schiefe Einbauten in Küchen und Bädern, Geräusche aus dem Kamin. Was ist nur aus der stolzen Zunft der Wissenden  geworden? Wo der Kundige fehlt, lassen sich die Geister erst recht gern bitten, sonst ziehen sie nämlich gar nicht mit ein ins neue Haus. Und treiben stattdessen so manchen Schabernack. Obendrein, versteht sich.

Verstehen kann man das ja, wenn man mit dem Herzen dabei ist. Schließlich wollen auch die Geister vor Baubeginn bedacht werden, wenn wir sie schon nicht mehr bitten, den Baugrund freizugeben oder sie um ihre Inspiration ersuchen. „Er (der Architekt, Anmerkung S.B.) sagte oft, dass er, bevor er zu bauen begann, den Ort befragte. Und er entwarf erst den Plan, nachdem ihm der Ort geantwortet hatte.“ **

Die Guten also, um Schaden abzuwenden und über Haus und Bewohner-inn-en zu wachen und alle zu behüten. Die Bösen (die auch einen Platz haben wollen und immer dazu gehören !), um sie zu befrieden. Siehe da, ich sehe dich. Und ja, auch du wirst in deinem So-Sein anerkannt.

Eine kleine Zeremonie kann Wunder wirken. Wie gut, dass noch nicht alles verloren gegangen ist von unserem alten Wissen. Wie gut! Bauwerke für den Seelenfrieden – ja, ja, ja! Leben Sie wohl – Worte, die sich eigentlich nicht nur zum Abschied eignen 🙂

Ganz im Zeichen der Umgebung beflügeln spitze Dächer den Geist … (nicht nur) in Kanada © Edoardo Busti

Weil ja nicht alle auf dem Land leben können. Wo Gemeinschaft gelingt … in Italien © Megan Soule

Ehre, wem Ehre gebührt. Sehr modern und garantiert baumlos sauber! … in Spanien © Joel Filipe

Oder doch lieber mit einer persönlichen Note wie … in Indonesien! © Bernard Hermant

Oder sicher verzückt und in himmlischer und irdischer Eintracht … in Italien © Riccardo Chiarini

* Federica de Cesco; Tochter des Windes, Seite 293
** ebd. Seite 255. Übrigens sagt der Architekt Peter Zumthor über sich, bei einem Entwurf genau so vorzugehen.

 

16 Kommentare zu “Von guten Geistern verlassen?

  1. Wahre Worte … LGLore

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  2. Danke Susanne fuer deinen sehr interesanten Beitrag, ich denke oft wird vergessen die Seele in Raeumen, welche tatsaechlich vorhanden ist, ob es einer erfassen kann oder nicht. Deine Gedanken oeffnen die Perspektive von mehr Achtsamkeit zu entwickeln was zwischen den 4 Waenden wichtig ist zu beachten. Unglaublich wie sehr sich die Baukunst innerhalb eines Jarhunderts entwickelt hat, zum Positiven und auch zu einer Verarmung mancher Baukloetze. Schoenen Sonntag dir, Susanne.

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    • Danke Cornelia!
      „Verarmung der Bauklötze“ diese Beschreibung trifft das Wesen mancher Bauwerke sehr treffend. Heute zählt nur „Zeit ist Geld“ und dabei brachte uns doch Momo auf die Spur der grauen Herren und entlarvte die Illusion ihrer Zeitsparkasse 😉
      All die liebevollen und wissenden Details, die die frühe Baukunst auszeichnet, die Genien, die außen für Schutz sorgen, die eingefassten Fenster, der Stuck, die besonders gesetzten Mauersteine … ja, mir tut es im Herzen weh. Minimalismus hat sicher einen wichtigen Platz in unserer Kultur der Verschwendung, doch gewußt wo, lebt es sich allemal friedlicher, glücklicher und zufriedener.
      Auch dir von Herzen einen schönen Sonntag!

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      • Danke dir fuer deine interessante Antwort, Susanne. Oh mit Momo meinst du das Buch von Michael Ende ueber die grauen Herren??? Das finde ich eine echt interessante Idee die du da einbringst. Als ich in Deutschland lebte war ich Buchhaendlerin , mein Fachgebiet waren Kinder- und Jugenbuecher, ich war in vserschiedenen grossen Buchhandlungen Abteilungsleiterin und Teil der Geschaeftsfuehrung. Ja das war eine schoene Zeit. Nun wuensche ich dir eine productive und entspannte Woche. Hier in Calfornien bruetet die Hitze.

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      • Ja, genau das Buch von Michael Ende meinte ich, Cornelia. Es ist wirklich für die Zukunft ( = heute) geschrieben, meine ich.

        Welch schöner Beruf, Buchhänderlerin mit dem Fachgebiet Kinderbücher! und wie spannend, dass du nun zum Fotografieren gefunden hast – oder die Fotografie dich, denn deine Aufnahmen sind wirklich berührend. Das Leben schickt uns auf Pfade, die manchmal seltsam scheinen, und sich doch im Rückblick als stimmig erweisen.

        Wenn du noch Lesekapazität hast kann ich dir unbedingt den Blog von Ulrike Sokul – Leselebenszeichen – empfehlen. Sie rezensiert ganz wunderbare Kinderbücher und versteht es immer, große Lust auf das Buch zu machen. https://leselebenszeichen.wordpress.com/

        Hier hält schon der Herbst Einzug, mit morgendlichem Nebel und abends ist schon Strickjacken-Zeit. Have a wonderful week and best wishes to you in California!

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      • Danke dir liebe Susanne fuer den link dieser Leseliste, I’m always interested in new books. Ja du hast Recht wie das Leben uns auf neue Pfade bringt, Die Photography eroeffnet neue Perspektiven wie man/frau Dinge neu und anders erleben und betrachten kann, das gleiche wie mit Buecher lesen. Ja der Herbst ist in Deutschland immer schoen, das geht mir manchesmal ab diese 4 Jahreszeiten. Enjoy die Herbstluft und die Veraenderungen in der Natur. Liebste Gruesse aus dem bis jetzt heissen Californien.

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      • I remember living in California, missing the snow 🙂 alles Liebe für dich, Cornelia!

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  3. Die „Architekten“ von heute können vielleicht noch Materialien kombinieren und die Statik berechnen, aber die Verbindung zur Natur ist völlig verloren gegangen.

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    • … obwohl es auch da manchmal schon knapp wird mit dem Können (läster läster … 😉 und ja, leider fehlt manchem oder mancher so völlig der Bezug zu dem Ort, für den sie den Bauplan erstellen.

      Schon wenn ich an einer Hauptverkehrsstraße im Erdgeschoss – und ohne Vorgarten – bodentiefe Fenster sehe, beginnt’s mich zu grausen.

      Dabei nicht mal „oh Wunder“ werden Häuser, die selbige für sich bauen, stets als „Architektenhäuser“ offeriert und das ist dann Etikett für das besonders Exklusive … .

      Ein Schelm, wer dabei denkt …. 🙂

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  4. Danke für den Link zum Leseblog!! Da kann ich ja fast nimmer aufhören zu stöbern. Ich bin ehrenamtliche Bibliothekarin und hab das Glück, oft Bücher einkaufen zu können, die ich mir selber wünsche… Zum Thema Bauen im weitesten Sinn habe ich aktuell das Buch von Jana Revedin über die „Frau Bauhaus“ gelesen, kann ich empfehlen…

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    • Danke für die schöne Rückmeldung, Michaela, und „Frau Bauhaus“ klingt spannend. Ich habe kürzlich den Film „Lotte am Bauhaus“ gesehen, ein wunderbarer und aufklärender Film. Dass Lotte Brendel die schönen Bauklötze „erfunden“ hat, wußte ich bis dahin nicht. Das Buch von Jana Revedin kommt also auch auf meine Leseliste. 🙂

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      • Das Buch ist einerseits eine Frauen-Biographie, aber auch als politisches Buch sehr spannend… Lotte Brendel kenn‘ ich wiederum nicht – noch nicht… Ich hab Frau Revedin voriges Jahr (war Jahr 100 Jahre Bauhaus Jubiläum) aus ihrem Buch lesen gehört und war auch von ihrer Stimme fasziniert. Unser Kultursender Ö1 birgt sehr oft solche wunderbaren Entdeckungen…

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      • Danke für den Tipp, Michaela!

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