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Bambus im Feng Shui Garten – Die zwei Seiten der Erkenntnis

16 Kommentare

Bambus gilt in der asiatischen Mythologie als starkes Symbol für Anpassungsfähigkeit, Langlebigkeit und Beständigkeit, weshalb ich einst schrieb, er solle in keinem Feng Shui Garten fehlen. Denn wer seine Tugenden verinnerlicht habe, werde in der Gesellschaft hoch verehrt.

Natürlich hatte auch in meinem Garten der Bambus einen speziellen Platz. Schon viele Jahre erfreute er mich Sommers wie Winters mit seinem unverwechselbaren Rauschen, seinem herrlichen Grün und seiner majestätischen Aura. Denn ohne Jägerlatein darf ich sagen, dass ausgewählte Stämme locker über sechs Meter ragten und es tatsächlich auf einen allseits bestaunten Durchmesser von bis zu sieben Zentimetern brachten.

Während auf der Drachenseite Hasel und Holunder die eher männlichen Attribute und das Yang repräsentieren, wurde die Tigerseite mit dem immergrünen (Yin) Bambus mit der Zeit jedoch immer undurchdringlicher, und um das ihm zugewiesene Areal kümmerten die Triebe sich mittlwerweile kaum noch. Mal tauchte ein Ausläufer mitten in der Felsenbirne auf, mal direkt neben dem Eingangstor und neuerdings sprossen seine Triebe fröhlich und unbekümmert weit jenseites meiner Grundstücksgrenzen.

Hatte ich vor einigen Jahren diese Lebendigkeit und das Abenteurertum noch belächelt und mir – als weiblichem Part des Gartens – diese Tugend liebend gern auf die Fahnen geschrieben, bekam ich vor einigen Wochen drängende Traumbotschaften und obendrein Beschwerden mit den Augen. Bekanntlich hat jede/r seinen Balken im Auge, doch irgendwann kam der Zeitpunkt an dem ich das nicht länger ignorieren konnte. Schließlich bin ich in einem beratenden Beruf tätig und was hätte ich denn einer, um meinen Rat ersuchenden Person gedeutet?

??? !!! Genau: Hinschauen, Zusammenhänge ausmachen, Verantwortung übernehmen und … Handeln. Das habe ich also getan und seit Wochen bin ich nun dabei, den Rhizomen hinterher zu graben und seine Hartnäckigkeit nicht nur zu bestaunen sondern gelegentlich auch zu verfl…en. Aus einem kleinen Projekt ala „ich mach da mal ein bisschen was weg“ ist mittlerweile eine Riesenbaustelle geworden. Denn die unterirdischen Rhizome haben sich längst überall dahin ausgebreitet, wo sie absolut nicht erwünscht sind.

Tja. Der Bambus lehrte mich viele Jahre über majestätische Schönheit. Zeigte mir seine Anpassungsfähigkeit an Wind und Wetter, Trockenheit und Regen, Eis und Schnee. Ließ sich beugen, doch nie brechen. Er spendete mir lauschigen Schatten in heißen Sommern, schenkte Sichtschutz und ein Gefühl der Geborgenheit. Er nahm mich mit auf Reisen in ferne Länder, ohne dass ich mich aus meinem Garten hätte fortbewegen müssen.

Nun lehrt er mich über unsichtbare Verzweigungen im Erdreich, über feine Verwurzelung die so hart ist, dass sie meine Finger verwundet und er zeigt mir deutlich die Grenzen meiner Kraft auf. Er lehrt mich über gigantischen Expansionsdrang, dem kein Hindernis wirklich Einhalt gebietet. Und lehrt mich etwas über Grenzverletzung.

Wessen Grenzen habe ich (symbolisch für die Tigerseite) unterirdisch untergraben und wo habe ich mich in fremden Territorien nach Nahrung umgeschaut und verwurzelt? Und auch: Wo habe ich den weiblich-verschlungenen Pfad verlassen und mich am eher yangigen, zielstrebigen, geraden Fortkommen orientiert? Was von mir zeigte ich, was hielt ich verborgen? Stimmt das noch? Und wer hat meinen Weg und vielleicht auch meine Grenzen auf ganz subtile Weise durchwachsen und unterirdisch ein Chaos verursacht?

Sein Standort war in Süd-Südwest, den klassischen Bereichen für Anerkennung und Partnerschaft. Auf anderer Ebene erzählt der Süden über Augen und Visionskraft. Ich darf mich also auch fragen: Wo bin ich längst verwurzelt und brauche mich gar nicht mehr anstrengen? Vielleicht auch: Was ist mir in puncto Erfolg und Ruhm aus dem Blick geraten? Ist das überhaupt noch nötig? Was konnte ich nicht wahrnehmen, weil es sich „unterirdisch“ ausbreitete? Werden sich meine Augenbeschwerden nun bessern?

Auch wenn einige bedauern, auf ihren Spaziergängen diese Augenweide verloren zu haben und auch, wenn ich viele Tränen darüber vergossen habe: Mein Feng Shui Garten wird nun ohne Bambus ein neues Gesicht bekommen. Auch das hat er mich gelehrt: Nicht jede Flora und Fauna kann mitgenommen und „einfach“ – zum Wohle des Ganzen – verpflanzt werden. Spirituell ist Heimat ohne Ort denkbar, doch in der Materie können wir nicht ortlos existieren. Um zu gedeihen braucht es mehr, als rational gedacht werden kann.

Herrlicher, vielfältiger Bambus – gesehen von © Takeo Kunishima

 

 

16 Kommentare zu “Bambus im Feng Shui Garten – Die zwei Seiten der Erkenntnis

  1. Ich hätte dem Bambus die Grenzen gezeigt und ihn als Teil des Gartens bestehen lassen.

    Gruß Michael

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    • Natürlich hättest Du es anders gemacht, Michael, darum bist Du Du. Doch wenn ich mich richtig erinnere pflegst Du keinen Garten und ein „hätte“ ist aus dieser Perspektive eine sehr theoretische Plattform.
      Trotzdem danke für Deinen Standpunkt. Mir ist beim Nachdenken über Deinen Kommentar noch einmal der Rat der indigenen Weisen in den Sinn gekommen: Gehe hundert Schritte in den Schuhen des anderen, willst Du die tiefen Beweggründe verstehen. Ich nehme mir das zu Herzen. Danke dafür.
      Susanne

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  2. Liebe Susanne, dein Beitrag den ich eben am Abend jetzt gelesen habe , braucht eine Zeit for me to sink in in all its wisdom you are sharing , your thoughts are so profound to me in such a spiritual meaning and feeling. Sorry das ich zwischen Deutsch und English her gehe, so ist das nun mal.

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  3. Mit Bambus habe ich auch schon lebhafte Erfahrungen gesammelt, liebe Susanne.
    Naiv und in Unkenntnis seiner Ausbreitungsgaben hatte ich einst zusammen mit einem Nachbarn hinterm Haus rechts neben die Hintertür Bambus gepflanzt. Viele Jahre wuchs er eifrig in die Höhe und maßvoll in die Breite und erfreute mich mit seiner immergrünen Anmut und seiner speziellen Blätterraschelmusik.
    Nach zehn Jahren merkte ich, daß er unterirdisch mehrere Quadratmeter unter dem Rasen fest verwebwurzelt hatte und da wurde mir klar, daß ich ihn eindämmen oder entfernen mußte. Ich wohne in einer Genossenschaftssiedlung und kann dort nicht einfach alles wachsen lassen, zumal ich auch schon die ersten Triebe entdeckte die sich direkt an der Hauswand emporreckten.
    Ich versuchte, ihn auszugraben, aber das ging weit über meine Kräfte. Somit fiel auch eine Rizomsperre aus, da der Arbeitsaufwand für mich nicht zu schaffen war – der Boden rund um die Baumbusstauden war total verholzt von Rizomen, da hätte ich eine Axt gebraucht.
    Die Rizome wuchsen tatsächlich bis in meine nächtlichen Träume hinein, wo ich stets einen Trieb ergriff und daran zog und zog und zog und kein Ende der widerspenstig-zähen Rizome zu sehen war. .
    Dann kam noch eine Auffforderung der Genossenschaft, daß ich bitte den Baumbus entfernen solle, wegen seiner Ausbreitungsgefahr.
    Also sprach ich mit den Gärtnern, die die Siedlungsgrünanlage pflegen, und sie entfernten für mich den Bambus. Der Spaß hat 300 € gekostet und die Gärtner huben eine TONNE Erdreich mit Wurzelgewebe aus. Zuvor hatte ich den Bambus komplett zurückgeschnitten, um mir wenigstens die Bambusstangen zu sichern – ich habe heute noch welche davon.

    Bambus würde ich nach dieser Überwucherungserfahrung nur noch in Kübeln in meiner räumlichen Nähe dulden.

    Immergrüne Grüße von mir zu Dir 🙂

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    • Danke für Deine geteilte Erfahrung, liebe Ulrike. Ja webwurzelartig, widerspenstig-zäh und Umklammerung des umgebenden Erdreichs … das sind auch meine Erfahrungen. Inzwischen sehe ich es auch als Metapher: So schön und einnehmend sich etwas in den Augen der Betrachter darbieten mag, auch für das, was „Unterirdisch“ geschieht braucht es feinen Sinn und Gespür.
      Ebenso farbenfrohe Stockrosengrüße 😉 zu Dir!

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  4. Jeder Standort hat seine Pflanzen. Das zeigt sich wenn man den Pflanzen einen anderen Ort gibt und schaut was sich verändert. Im Garten habe ich mit heimischen Pflanzen die Gestaltung entwickelt. Im Süden hat sich ein Feigenstrauch durchgesetzter ist nun ein großer Busch 2,50 m, die Ernte ca. 200 Feigen im Jahr.

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    • Ach wunderbar – ja, auch das ist eine Lehre, die ich ziehe. Das Heimische und das, was es hier braucht. Nachdem ich auf Ulrike Sokuls Blog letztens dieses schöne Bilder-Buch über Schmetterlinge entdeckte, habe ich inzwischen aufbauende Ideen, den Schmetterlingen künftig einen feinen Ort mit Schmackhaftem anzubieten.
      Dir guten Appetit, Tom, frische Feigen lieb ich auch sehr!

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  5. uah, Unsere Nachbarn haben vor einiger Zeit einen Bambus direkt neben den Hauseingang gesetzt 😮

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